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Kriegsprotest der Akademie vor 20 Jahren
In der Debatte über angemessene Reaktionen der Zivilgesellschaft auf die Terrorakte der Hamas gegen die israelische Bevölkerung am 7. Oktober 2023 wird häufig Bezug genommen auf den starken öffentlichen Protest gegen den Irak-Krieg 2003.
Vor zwanzig Jahren gingen Hunderttausende in Deutschland auf die Straßen, um gegen den von den USA angekündigten Krieg zum Sturz des Diktators Saddam Hussein zu protestieren. Auch Mitglieder der Sächsischen Akademie der Künste erklärten sich gegen den drohenden 3. Golfkrieg und regten die Akademie zu einer eigenen Stellungnahme an. Der damalige Präsident Ingo Zimmermann besprach mit dem Vizepräsidenten Friedrich Dieckmann den Wortlaut einer Erklärung, die mit dem Völkerrecht gegen eine Intervention in den Irak argumentierte. Am 16. März 2003 gab Vizepräsident Dieckmann die Erklärung zur Veröffentlichung an Presseagenturen und Zeitungen frei. Die Erklärung wurde von der Berliner Zeitung in vollem Wortlaut und in der Süddeutschen Zeitung auszugsweise wiedergegeben.
Offizielle Reaktionen blieben aus, aber es gab zahlreiche Anrufe von Akademiemitgliedern, die die Erklärung unterstützten. Es wurde hervorgehoben, dass die Sächsische Akademie der Künste sich als einzige deutsche Akademie zu Wort gemeldet hätte.
Zu den schriftlichen Äußerungen von Mitgliedern zählten Briefe des Opernregisseurs Joachim Herz (1924-2010) und des bildenden Künstlers Johannes Gachnang (1939-2005). Gachnang empfahl die Lektüre von Aristophanes‘ pazifistischer Komödie Lysistrata und zitierte den britischen Militär und Politiker Arthur W. Wellington: „Ich bin immer im höchsten Maße davor zurückgeschreckt, ein Land aus politischen Motiven in Aufruhr zu bringen. Wenn sich die Menschen von selbst erheben, schön und gut. Aufwiegeln aber sollte man sie nicht: man lädt eine gewaltige Verantwortung auf sich.“
Der Komponist Christfried Schmidt (geb. 1932) sandte die ersten Seiten seines „Memento, 2. Teil“ ein, das folgenden Text vertonte: „Wer für die Weiterführung des Krieges ist, der ist überhaupt kein Mensch mehr.“ Christfried Schmidt wollte nach eigenem Bekunden die Schrecken abhandeln, die die Deutschen im 20. Jahrhundert der zivilisierten Welt zugefügt hatten.
In der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 begann die amerikanisch-britische Kriegskoalition ihren Angriff auf Bagdad auch mit einer neuartigen Kriegsberichterstattung: Bilder und Berichte aus dem Kriegsgebiet mussten durch das US-Verteidigungsministerium freigegeben werden.
Das von der Akademie mitveranstaltete Symposium „Der schöne Schein der Gewalt - Legitimation und Ästhetik des Krieges“ am 6. April 2003 im Blockhaus Dresden hatte nun hohe Aktualität. In Zusammenarbeit mit dem Staatsschauspiel Dresden, dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und der Friedrich-Ebert-Stiftung gab es Lesungen, Einzelvorträge und Podiumsdiskussionen. In der Veranstaltungsankündigung hieß es: „Sobald Tabus ausgeräumt sind, kann Gewalt in den kulturellen Raum einziehen und herrschen. Der Wandel der Bereitschaft, Gewalt wahrzunehmen, ist eng mit der Entwicklung verfügbarer Formen der Repräsentation von Gewalt verknüpft. Die heutige Allgegenwärtigkeit der Gewalt in Bildern und Texten verdankt sich vor allem der weltweiten Verbreitung der Massenmedien, die unweigerlich an die Ästhetisierung von Gewalt gekoppelt ist. Diese Tatsache lässt auch die Diskurse, in denen Gewalt und deren vielfältige Repräsentationen thematisiert, kritisiert oder legitimiert werden, nicht unberührt. All dies zeigt sich auch in der öffentlichen Thematisierung von Kriegen.“