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Sigrid Kehl

Kammersängerin
Klasse Darstellende Kunst und Film

* 1929 in Berlin · † 2024 in Leipzig · 1948 Abitur in Arnstadt · 1949–1951 Klavier-, Gesangs- und Pädagogikstudium am Thüringischen Landeskonservatorium Erfurt · 1951–1956 Gesangs- und Klavierstudium an der Deutschen Hochschule für Musik Berlin · 1956/57 Engagement an der Deutschen Staatsoper Berlin · 1957–1990 Opernsängerin am Opernhaus der Städtischen Bühnen Leipzig, 1963 Kammersängerin · Gastspiele in Bologna, Bordeaux, Budapest, Genf, Madrid, Moskau, Neapel, Venedig, Warschau u.a. · Gastverträge an Staatsoper Berlin, Komischer Oper Berlin, Staatsoper Dresden, an den Opernhäusern in Bern und Graz sowie an der Staatsoper Wien · Zusammenarbeit mit den Dirigenten Heinz Bongartz, Heinz Hollreiser, Berislav Klobučar, Franz Konwitschny, Kurt Masur, Zubin Metha, Václav Neumann, Horst Stein, Otmar Suitner u.a. · 1979 Professorin für Gesang an der Hochschule für Musik (HfM) »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig · 1989 Abschied von der Bühne als Küsterin in Jenůfa von Leoš Janáček (Ersterarbeitung in der Spielzeit 1968/69 unter Václav Neumann) · 1996 Initiatorin und künstlerische Leiterin des Opernprojekts »Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho« von Georg Philipp Telemann in Zusammenarbeit den HfM Leipzig und Berlin sowie der Oper Leipzig · 1996 Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste · lebte in Leipzig.

Preise und Ehrungen
1956 Zweiter Preis des Internationalen Robert-Schumann Zwickau · 1967 Nationalpreis der DDR III. Klasse · 1976 Kunstpreis der Stadt Leipzig (Inszenierungskollektiv Der Ring des Nibelungen um Joachim Herz) · 1976 Robert-Schumann-Preis der Stadt Zwickau (mit Elisso Wirsaladse) · 1990 Ehrenmitglied der Oper Leipzig

Rollen (Auswahl)
1960: Zenobia in Radamisto von Händel, Fürstin Helene in Krieg und Frieden von Prokofjew und Magdalene in Die Meistersinger von Nürnberg von Wagner · 1960–1978: Ulrika, Amneris, Eboli, Lady Macbeth in Werken von Verdi; Oktavian, Amme, Ariadne, Elektra in Werken von Strauss sowie Brangäne, Venus, Ortrud, Fricka, Brünnhilde, Isolde, Kundry in Werken von Wagner

Einspielungen (Auswahl)
Bizet, Händel, Strauss, Verdi, Wagner


Gedenken

Ein Leben für die Bühne  Zum Tode von Sigrid Kehl

Nachruf von Holk Freytag

Wer einmal Sigrid Kehl begegnet ist, wird ihren unbestechlichen Blick nicht vergessen. Es waren ihre Augen, die dem Gegenüber kein Ausweichen, keine Ungenauigkeit in der Argumentation erlaubte. Einmal, es war im Foyer »ihrer« Leipziger Oper, habe ich Sigrid Kehl gefragt, ob sie optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft schaue. »Ich hoffe«, antwortete sie mir, »dass die Menschen so viel Vernunft haben werden, dass sie auf das Zusammenleben achten«. Es war immer der Blick fürs Wesentliche, der in der Begegnung mit ihr bestach.

Über sagenhafte 33 Jahre war Sigrid Kehl im Ensemble der Leipziger Oper, ja sie war das Gesicht ihres Hauses. Ihr Rollenspektrum reichte vom Hirtenjungen in Puccinis »Tosca« bis zu hin zu Brünnhilde im »Ring des Nibelungen«. Es war die Genauigkeit in der Analyse ihrer Figuren, die sie zu einer der bedeutendsten Sängerdarstellerinnen ihrer Zeit machten. Das Rezept für ihren Erfolg hieß Teamarbeit, eben das Zusammenleben, auch mit denen, die nicht ihrer Ansicht waren. Streitbar und unbestechlich war sie und immer war der Mensch in all seinen Facetten ihr Gegenstand. »Singen muss man«, sagte sie einmal, »das ist die Grundlage, aber für mich war immer die Darstellung auf der Bühne das Eigentliche«. So war es denn auch nur folgerichtig, dass Joachim Herz, mit dem sie einen Großteil ihrer Karriere verbunden war, sie als Mitglied der Klasse Darstellende Kunst und Film der Sächsischen Akademie der Künste vorschlug. Bereits auf der ersten Mitgliederversammlung der Akademie im Jahr 1996 wurde sie zum Mitglied berufen. Sie war seither aktiv am Aufbau und an der Arbeit der Akademie beteiligt. Ihr Hauptaugenmerk galt der Kenntlichmachung des Erbes von Walter Felsenstein und Joachim Herz.

Einige Beispiele ihrer Kunst sind erfreulicherweise auf Tonträgern festgehalten und wer sich ein Bild von der Bedeutung dieser Ikone des Musiktheaters machen möchte, dem empfehle ich die Aufnahme des Schlussgesangs der Brünnhilde aus der »Götterdämmerung«. Hier erleben wir eine Figur, die am Ende von Wagners Opus Magnum Geschichte verwaltet und den Willen ihres Göttervaters Wotan so behutsam, so menschlich zu Grabe trägt, wie es vielleicht keine ihrer Vorgängerinnen in der Rolle vermochte.