Programm
Reihe Neue Lyrik mit Měrana Cušcyna und Bertram Reinecke
Neue Lyrik stellen Měrana Cušcyna und Bertram Reinecke mit ihren Gedichtbänden der gleichnamigen Reihe vor, die von Jayne-Ann Igel, Jan Kuhlbrodt und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen im Verlag Poetenladen herausgegeben wird. Měrana Cušcyna, die ihre Texte in der deutschen wie der sorbischen Muttersprache schreibt, entwirft in ihrem Gedichtband "innen bröckelt die unerhörte schicht" eine Welt, die vom nachbarlichen Zaun bis zum Tauschgut der Sprache reicht. Bertram Reinecke nimmt mit seiner Montagetechnik eine singuläre Position ein. Er betrachtet die Erfahrungen der literarischen Tradition als ein Gemeingut und legt mit "Daphne, ich bin wütend" einen Band vor, der in Gedichten und einem Essay die Tür zu seinem Sprachlabor öffnet.
Begrüßung:
Prof. Dr. Wolfgang Holler, Präsident der Sächsischen Akademie der Künste
Prof. Dr. Manuel Frey, Stiftungsdirektor der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Lesung und Gespräch:
Měrana Cušcyna, Schriftstellerin und Übersetzerin, Bautzen
Bertram Reinecke, Lyriker, Essayist und Verleger, Leipzig
Moderation:
Michael Hametner, Leipzig
Měrana Cušcyna: innen bröckelt die unerhörte schicht
Reihe Neue Lyrik – Band 26
Herausgegeben von Jayne-Ann Igel, Jan Kuhlbrodt
Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
ISBN 978-3-948305-24-6
poetenladen Verlag, Herbst 2023
Měrana Cušcyna (Zuschke), 1961 geboren in Bautzen, lebt in ihrer Geburtsstadt als Autorin und Übersetzerin. Sie studierte Slawistik und Pädagogik an der Leipziger Universität und war bis 2009 Lehrerin am Sorbischen Gymnasium in Bautzen. Ihre ersten Gedichte erschienen im Jahr 2000 in obersorbischer Sprache. Es folgten weitere Lyrik- und Prosabände sowie Herausgaben vorwiegend sorbischer Anthologien.
https://www.ostra-gehege.de/tauschgut-merana-cuscyna/
Innensichten wechseln mit poetischen Begebenheiten und Erinnerungen. Dazwischen entwickelt sich ein Lautreichtum aus sprachspielerischen und sprachergründenden Zeilen. "Zwei Zungen treffen sich täglich", so könnte das Leitmotiv lauten, das auf das Alltägliche des Nachbarschaftlichen wie das Unalltägliche der Zweisprachigkeit verweist. Wie nebenbei klingen "Gänsesommer" und "Schmungks" an und deuten darauf hin, dass auch literarische Größen wie Kito Lorenc und Elke Erb in diesem facettenreichen Band zu Gast sind. "[...] Měrana Cušcyna schreibt ihre Texte originär in der deutschen wie der sorbischen Muttersprache, und die jeweils in die andere Sprache übertragenen Texte stellen letztendlich Originale dar, auch wenn sie sich am ursprünglichen Text orientieren. Im von der Autorin praktizierten Übersetzungsprozess gewinnen sie eine Eigenständigkeit. Die meisten Texte dieses Bandes sind zunächst in deutscher Sprache entstanden. Die Texte durchzieht eine Selbstverständlichkeit der Zweisprachigkeit, das ist ein Geschenk an uns Leserinnen und Leser. Eine Selbstverständlichkeit, in der dennoch Risse spürbar werden, je nachdem, aus welchem sprachlichen Umfeld man kommt. Die Autorin thematisiert diese Risse, Sprache wird räumlich wahrnehmbar [...]
Aufgewachsen ist Měrana Cušcyna in der Lausitz, einer Region, in der Zweisprachigkeit eher die Norm darstellt und in der das Benannte in der Bedeutung der jeweils anderen Sprache andere Facetten und Bedeutungsverschiebungen aufzuweisen hat. So findet eine stete Verwandlung statt, der die Autorin nachspürt, die sie aufscheinen lässt, wiewohl die Dinge sich gleich bleiben. Es gleicht einem Tanz auf dem Grat, was Měrana Cušcyna hier zelebriert, und es erinnert in der Leichtigkeit, im Humor an Kito Lorenc, einen der großen Dichter der Vorgängergeneration. Nicht zuletzt finden sich im vorliegenden Band auch Bezüge auf diesen Dichter (Lang ist’s her, Kapitel 3). Mit Měrana Cušcynas Band erscheint eine weitere gewichtige Stimme der sorbischen Poesie in unserer Reihe, für den deutschsprachigen Raum ist es fast ein Debüt. Bislang waren nur wenige Texte in deutscher Sprache zu entdecken, in Literaturzeitschriften und Anthologien sowie zwei kleineren Monographien (Tauschgut, Leipzig 2017, und Zwiegeflecht, Wilhelmshaven 2022), während sie in sorbischer Sprache seit der Jahrtausendwende schon eine Anzahl an Bänden mit Gedichten und Prosa vorgelegt hat. Die Autorin schreibt seit dem achtzehnten Lebensjahr und begann in den 90er-Jahren zu publizieren. In deutscher Sprache stellt der vorliegende Band nun erstmals eine umfangreichere Sammlung ihrer Arbeiten vor." (Jayne-Ann Igel)
Bertram Reinecke: Daphne, ich bin wütend
Reihe Neue Lyrik – Band 27
Herausgegeben von Jayne-Ann Igel, Jan Kuhlbrodt,
Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
SBN 978-3-948305-25-3
poetenladen Verlag, Februar 2024
Bertram Reinecke, geboren 1974 in Güstrow, wuchs in Mecklenburg auf und studierte zunächst Germanistik, Philosophie und Psychologie in Greifswald, dann am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er verfasste bisher fünf Lyrikbände,war mehrfach Gastdozent am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und betreibt den Verlag Reinecke & Voß in Leipzig. Mit dem Buch „Daphne ich bin wütend“ legt er einen Band vor, der vieles bündelt, was Literatur oder Kunst überhaupt ausmacht. Dabei betrachtet er die Erfahrungen der literarischen Tradition als ein Gemeingut, das Ressourcen bereitstellt und einen utopischen Horizont öffnen kann.
"Das Montieren von neuen Texten aus unveränderten Zeilen anderer Werke bildet das Herzstück meiner Arbeit. Was es mit meinem Lesen und mir als einem Menschen macht, Stunde um Stunde fremde Verszeilen immer von neuem zu durchlaufen, lässt sich kaum in seinem Ausmaß von innen her erkennen oder gar ausdrücken. Zumindest beeinflussen meine Montageroutinen die Art und Weise, wie bei mir Texte ohne fremde Materialvorlagen entstehen. [...] Jenseits der Erfüllung einer Form stellen sich alle Fragen nach Schönheit, Angemessenheit, Neuigkeitswert usw. neu"
Bertram Reinecke, Essay: Jedes Gedicht laboriert an seiner eigenen Sprachnot, in: Reihe Neue Lyrik – Band 27.